27.10.2012

Das metrische System ist Teufelszeug!

Es könnte keine bessere Beschreibung des amerikanischen Maßsystems geben als dieses weltberühmte Zitat von Abe "Grampa" Simpson. Während sich fast die gesamte zivilisierte und unzivilisierte Welt im Laufe der Jahrhunderte der Logik und Einfachheit des metrischen Systems gebeugt hat, haben sich bis heute lediglich drei gallische Länder erhalten, die sich dem Einfluss dieses Systems entziehen und die USA sind hierbei in der prominenten Gesellschaft von Myanmar und Liberia, die jeweils eigene Maßsysteme besitzen. Während in Burma mit Dha, Zayoot und Kyat gemessen wird (vgl. "Wer sich vermisst, misst Mist - Unnötige Einheiten, die die Welt nicht braucht", Système international d’unités, SI-Verlag 1875), beruht das Maßsystem von Liberia auf Anarchie. Somit sind die USA das letzte Land der Erde, in dem das imperiale Maßsystem nach wie vor mit Inbrunst und Hingabe verwendet wird. Denn: "Das metrische System ist Teufelszeug!" (vgl. "Alles ist Teufelszeug", Abe Simpson, Kathederverlag 2000)

Die Basis der amerikanischen Längenmaße bildet der inch. Zwölf Stück davon hintereinander ergeben einen foot, der das beste Indiz dafür ist, dass Amerikaner gerne auf großen Fuße leben, immerhin entspricht ein foot Schuhgröße 47,5 - europäische Schuhgröße wohlgemerkt, das amerikanische Pendant wird mit Größe 14 3/4 bezeichnet. Drei von den feet sind ein yard. Und 1.760 yard ergeben schließlich eine Meile. Zusammengefasst: 1 Mile = 1.760 yard = 5.280 foot = 63.360 inch. Einleuchtend und simpel, Zehnerpotenzen werden komplett überbewertet. Und weil der inch als kleinste Einheit stattlichen 2,54 cm entspricht und es keine Milli-inch gibt - denn Milli = metrisches System = Teufelszeug - werden alle Längenmaße, die kürzer sind als ein inch, mit Bruchstücken des inches bezeichnet. So lachen einem aus dem amerikanischen Werkzeugkasten Schraubenschlüssel mit einer Weite von 1/2 inch, 1/4 inch, 1/8 inch, 3/8 inch und so weiter und so fort entgegen (vgl. "Tool Time", Tim Taylor, Binford 1995). Gemäß dem Grundsatz "Everything's bigger in the USA" wurde bei der Einführung des Maßsystems schlicht und einfach vergessen, eine Längeneinheit zu definieren, die kürzer als 2,54 cm ist.

Die Flächenmaße sind glücklicherweise nur eine Quadratur der zugehörigen Längenmaße, mit der logischen Umrechnung: 1 square mile = 3.097.600 square yards = 27.878.400 square foot = 4.014.489.600 square inch. Anhand dieses gut durchdachten und einfach zu merkenden Systems kann der geneigte Flächeninhaltsberechner auch sofort und in Sekundenschnelle ermitteln, wievel square inch in 1,3 square miles enthalten sind.

Ungefähr genau so einfach gestalten sich die Volumeneinheiten. In der Praxis gebräuchlich sind deren zwei: Die Gallone, wenn es etwas mehr Volumen sein soll, und die Fluid Ounce ("kurz" mit fl.oz. bezeichnet) bei etwas weniger Volumen. Faustregel hierbei ist, dass Alles, was weniger als eine Gallone ist, in Fluid Ounce angegeben wird. An der Tankstelle tankt man zum Beispiel Gallonen in sein Auto, während man bei McDonalds Fluid Ounces Cola in sich selbst tankt, wobei die großen Becher dort auch schon knapp eine Gallone fassen können. Die Umrechnung ist folgende: 1 gallon = 128 fl.oz =29.568 in³ = 3,78 Liter. Das besondere hierbei ist, dass es sich um Gallonen für Flüssigkeiten handelt - Gallonen für Feststoffe sind logischerweise etwas anders dimensioniert. Um ein Durcheinander zu vermeiden, wird die Flüssig-Gallone auch offiziell mit liq.gal. beizeichnet, die Fest-Gallone mit dry.gal. Und weil die Fest-Gallone 4,40 anstatt 3,78 Litern entspricht, ist man stets gut beraten, bei gleichem Gallonenpreis Flüssigkeiten im gefrorenen Aggregatzustand zu kaufen (vgl."Sparen wie ein Eskimo", Ludwig Lagnese, Eiszeit-Verlag 1956). Neben Gallonen und Fluid Onces tummeln sich manchmal noch einige weitere, fremdartig anmutende Volumsangaben für Flüssigkeiten auf amerikanischen Verpackungen: Quart (qt) und Pint (pt) - nicht zu verwechseln mit dem Britischen Pint, denn der enthält etwas mehr Volumen. Beide Einheiten können einer einfachen Logik folgend in die Kette der Volumseinheiten eingefügt werden, die dann 1 gallon = 4 qt = 8 pt = 128 fl. oz lautet. Wann welche Volumsangabe Verwendung findet hängt einzig und allein vom Gestalter der Verpackungsetiketten ab, was anhand einiger Beispiele aus der Waschküche gezeigt werden kann:


Auf drei verschiedenen Waschmittelflaschen sind der Einfachheit halber auch drei verschiedene  Einheitenkombinationen angebracht: Gallonen und Fluid Ounces (links), Pints und Fluid Ounces (mitte), Fluid Ounces und Quarts (rechts). Der aufmerksame Betrachter wird vielleicht auch festgestellt haben, dass auf allen drei Verpackungen die Volumsangabe in Litern zu finden ist, was der Tatsache geschuldet ist, dass die USA ein klassisches Einwanderungsland sind und die zugewanderten Neubürger aus den metrischen Ländern - also allen Ländern außerhalb der USA (von Myanmar und Liberia einmal abgesehen) - auch gerne wissen würden, wieviel von einer Flüssigkeit sie im Begriff sind, käuflich zu erwerben oder bereits besitzen.

Der Übergang zwischen flüssigem und festem Aggregatzustand geschieht in der Regel über Wärmeabfuhr. Und diese abgeführte Wärme nennt eine bestimmte Temperatur ihr Eigen, die mit Grad Celsius angegeben wird. Normalerweise. Nicht aber in den USA, denn hier wird auf die Skala von Fahrenheit zurückgegriffen. Die Motivation dahinter ist die gleiche wie bei den Längenmaßen: Genauso wie Zehnerpotenzen sind auch die beiden Fixpunkte der Celsius-Skala (0°C am Gefrierpunkt und 100°C am Siedepunkt von Wasser unter Normbedingungen) sehr aufwendig zu ermitteln und schwierig zu merken, weswegen auf die wesentlich einfachere Definition von Fahrenheit zurückgegriffen wird: 0°F entspricht der tiefesten Temperatur in Danzig im Winter 1708 (vgl. "Polens kälteste Winter", Karol Wojtyla, Ottokar-Premysl-Verlag 1990), während 96°F der Körpertemperatur eines gesunden Menschen entspricht - neuere Forschungen haben allerdings ergeben, dass die Körpertemperatur von gesunden Menschen bei 98,6°F liegt, was darauf schließen lässt, dass die Menschheit im Laufe der Jahrhunderte wärmer wurde (vgl. "Die Homosexualisierung der abendländischen Gesellschaft", Joseph Ratzinger, Bet-und-Buß-Verlag 2002). Ein weiterer, erst in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts definierter Fixpunkt sind 451°F, die Selbstentzündungstemperatur von Büchern (vgl. "Chronik der Feuerwehr", Guy Montag, Salamanderverlag 1966). Drei durchaus logische und leicht nachvollziehbare Definitionspunkte.Übrig bleibt hier lediglich folgende, nicht so einfach zu beantwortende Frage: Bei wieviel Grad Fahrenheit gefriert es und man muss auf den Straßen mit Eisbildung rechnen? Die Einheimischen haben dafür eine simple Antwort parat: Sie ziehen einfach keine Winterreifen auf die Autos auf, damit erübrigt sich auch die Frage nach dem wetterbedingten Umstecken der Räder. Und weil das Thema Auto damit schon angeschnitten ist: Die Kraftstoffeffizienz von amerikanischen Autos wird in miles per gallon angegeben - wie kann es anders sein, nach dem Prinzip "mehr ist besser" der eindeutige Kehrwert von den bekannten Litern pro 100 Kilometer.

Nicht nur das, auch das Gewicht von Autos und Allem, was kein Auto ist, wird nicht in den bekannten Gramm und Tonnen angegeben, sondern in Pfund (vlg. "Kein Quarter Pounder in Europa", Vincent Vega, Pulp-Verlag 1994). Dieses ist wiederum unterteilt in Unzen, die - wie kann es anders sein - überhaupt keinen logischen Zusammenhang zu Flüssig-Unzen (siehe weiter oben) aufweisen. Die Einteilung der Gewichte ist wie folgt: 1 pound = 16 oz. = 453 Gramm, wonach ein Quarterpounder bei McDonalds 113,25 Gramm wiegt. Und nicht selten sieht man auf der Straße (weniger) oder bei Walmart (öfter) Personen, die nach übermäßigem Quarterpounder-Verzehr bis zu 500 pounds Lebendgewicht auf die Waage bringen, was wiederum dem Viertel einer amerikanischen Tonne entsprechen, die logischerweise nicht aus 1.000, sondern aus 2.000 pounds besteht und nicht mit der europäischen Tonne verwechselt werden sollte, da die europäische Ausgabe der Tonne um 93 kg schwerer ist.

Ein Blick in den Kühlschrank fördert eine Anzahl an Produkten mit anschaulichen haushaltsübliche Gewichtsangaben zu Tage:


Hier erfolgt die Angabe in Dry Ounces und aus bereits bekanntem Grund auch in Gramm, was die Inhaltsangaben auf diesen Flaschen weniger verwirrend erscheinen lässt als bei Flüssigkeiten. Das einzig Verwirrende in dieser Kollage ist: Während sowohl Erdnuss- als auch Barbecue-Sauce den Feststoffen zugerechnet werden, ist Sweet Relish der Verpackungsangabe nach eindeutig eine Flüssigkeit.

Und last but not least: Die Zeit. Es würde nicht verwundern, wenn es anders wäre, aber hier werden tatsächlich Sekunden, Stunden, Tage und Wochen verwendet. Dass die amerikanische Zeitrechnung auf dem Zwölf-Stunden-System basiert und somit jede Uhrzeit einmal pro Tag recycelt wird - mit a.m.-Suffix vor und p.m.-Suffix nach dem Recycling - fällt im Vergleich zu inches, gallons und pounds kaum ins Gewicht.

Abschließend eine Tatsache, die vielen Amerikanern unbekannt ist - ja regelrecht totgeschwiegen wird: Der Zoll als Basis sowie Dreh- und Angelpunkt des amerikanischen Maßsystems ist seit den 50er-Jahren über das metrische System definiert, ein Zoll entspricht genau 0,0254 Meter. So hat das Teufelszeug doch noch über ein Schlupfloch Einfluss auf das amerikanische Maßsystem genommen (vgl. "Ha-Ha!", Système international d’unités, SI-Verlag 1956) und vielleicht werden eines schönen Tages die amerikanischen Kinder auf einem millimeterkurz geschorenen Rasen spielen, während ihre Väter einen Liter Bier trinken und die Mütter einen Teppich von einem Quadratmeter weben - eine Fiktion, die zu schön ist, um wahr zu sein.

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