27.10.2012

Das metrische System ist Teufelszeug!

Es könnte keine bessere Beschreibung des amerikanischen Maßsystems geben als dieses weltberühmte Zitat von Abe "Grampa" Simpson. Während sich fast die gesamte zivilisierte und unzivilisierte Welt im Laufe der Jahrhunderte der Logik und Einfachheit des metrischen Systems gebeugt hat, haben sich bis heute lediglich drei gallische Länder erhalten, die sich dem Einfluss dieses Systems entziehen und die USA sind hierbei in der prominenten Gesellschaft von Myanmar und Liberia, die jeweils eigene Maßsysteme besitzen. Während in Burma mit Dha, Zayoot und Kyat gemessen wird (vgl. "Wer sich vermisst, misst Mist - Unnötige Einheiten, die die Welt nicht braucht", Système international d’unités, SI-Verlag 1875), beruht das Maßsystem von Liberia auf Anarchie. Somit sind die USA das letzte Land der Erde, in dem das imperiale Maßsystem nach wie vor mit Inbrunst und Hingabe verwendet wird. Denn: "Das metrische System ist Teufelszeug!" (vgl. "Alles ist Teufelszeug", Abe Simpson, Kathederverlag 2000)

Die Basis der amerikanischen Längenmaße bildet der inch. Zwölf Stück davon hintereinander ergeben einen foot, der das beste Indiz dafür ist, dass Amerikaner gerne auf großen Fuße leben, immerhin entspricht ein foot Schuhgröße 47,5 - europäische Schuhgröße wohlgemerkt, das amerikanische Pendant wird mit Größe 14 3/4 bezeichnet. Drei von den feet sind ein yard. Und 1.760 yard ergeben schließlich eine Meile. Zusammengefasst: 1 Mile = 1.760 yard = 5.280 foot = 63.360 inch. Einleuchtend und simpel, Zehnerpotenzen werden komplett überbewertet. Und weil der inch als kleinste Einheit stattlichen 2,54 cm entspricht und es keine Milli-inch gibt - denn Milli = metrisches System = Teufelszeug - werden alle Längenmaße, die kürzer sind als ein inch, mit Bruchstücken des inches bezeichnet. So lachen einem aus dem amerikanischen Werkzeugkasten Schraubenschlüssel mit einer Weite von 1/2 inch, 1/4 inch, 1/8 inch, 3/8 inch und so weiter und so fort entgegen (vgl. "Tool Time", Tim Taylor, Binford 1995). Gemäß dem Grundsatz "Everything's bigger in the USA" wurde bei der Einführung des Maßsystems schlicht und einfach vergessen, eine Längeneinheit zu definieren, die kürzer als 2,54 cm ist.

Die Flächenmaße sind glücklicherweise nur eine Quadratur der zugehörigen Längenmaße, mit der logischen Umrechnung: 1 square mile = 3.097.600 square yards = 27.878.400 square foot = 4.014.489.600 square inch. Anhand dieses gut durchdachten und einfach zu merkenden Systems kann der geneigte Flächeninhaltsberechner auch sofort und in Sekundenschnelle ermitteln, wievel square inch in 1,3 square miles enthalten sind.

Ungefähr genau so einfach gestalten sich die Volumeneinheiten. In der Praxis gebräuchlich sind deren zwei: Die Gallone, wenn es etwas mehr Volumen sein soll, und die Fluid Ounce ("kurz" mit fl.oz. bezeichnet) bei etwas weniger Volumen. Faustregel hierbei ist, dass Alles, was weniger als eine Gallone ist, in Fluid Ounce angegeben wird. An der Tankstelle tankt man zum Beispiel Gallonen in sein Auto, während man bei McDonalds Fluid Ounces Cola in sich selbst tankt, wobei die großen Becher dort auch schon knapp eine Gallone fassen können. Die Umrechnung ist folgende: 1 gallon = 128 fl.oz =29.568 in³ = 3,78 Liter. Das besondere hierbei ist, dass es sich um Gallonen für Flüssigkeiten handelt - Gallonen für Feststoffe sind logischerweise etwas anders dimensioniert. Um ein Durcheinander zu vermeiden, wird die Flüssig-Gallone auch offiziell mit liq.gal. beizeichnet, die Fest-Gallone mit dry.gal. Und weil die Fest-Gallone 4,40 anstatt 3,78 Litern entspricht, ist man stets gut beraten, bei gleichem Gallonenpreis Flüssigkeiten im gefrorenen Aggregatzustand zu kaufen (vgl."Sparen wie ein Eskimo", Ludwig Lagnese, Eiszeit-Verlag 1956). Neben Gallonen und Fluid Onces tummeln sich manchmal noch einige weitere, fremdartig anmutende Volumsangaben für Flüssigkeiten auf amerikanischen Verpackungen: Quart (qt) und Pint (pt) - nicht zu verwechseln mit dem Britischen Pint, denn der enthält etwas mehr Volumen. Beide Einheiten können einer einfachen Logik folgend in die Kette der Volumseinheiten eingefügt werden, die dann 1 gallon = 4 qt = 8 pt = 128 fl. oz lautet. Wann welche Volumsangabe Verwendung findet hängt einzig und allein vom Gestalter der Verpackungsetiketten ab, was anhand einiger Beispiele aus der Waschküche gezeigt werden kann:


Auf drei verschiedenen Waschmittelflaschen sind der Einfachheit halber auch drei verschiedene  Einheitenkombinationen angebracht: Gallonen und Fluid Ounces (links), Pints und Fluid Ounces (mitte), Fluid Ounces und Quarts (rechts). Der aufmerksame Betrachter wird vielleicht auch festgestellt haben, dass auf allen drei Verpackungen die Volumsangabe in Litern zu finden ist, was der Tatsache geschuldet ist, dass die USA ein klassisches Einwanderungsland sind und die zugewanderten Neubürger aus den metrischen Ländern - also allen Ländern außerhalb der USA (von Myanmar und Liberia einmal abgesehen) - auch gerne wissen würden, wieviel von einer Flüssigkeit sie im Begriff sind, käuflich zu erwerben oder bereits besitzen.

Der Übergang zwischen flüssigem und festem Aggregatzustand geschieht in der Regel über Wärmeabfuhr. Und diese abgeführte Wärme nennt eine bestimmte Temperatur ihr Eigen, die mit Grad Celsius angegeben wird. Normalerweise. Nicht aber in den USA, denn hier wird auf die Skala von Fahrenheit zurückgegriffen. Die Motivation dahinter ist die gleiche wie bei den Längenmaßen: Genauso wie Zehnerpotenzen sind auch die beiden Fixpunkte der Celsius-Skala (0°C am Gefrierpunkt und 100°C am Siedepunkt von Wasser unter Normbedingungen) sehr aufwendig zu ermitteln und schwierig zu merken, weswegen auf die wesentlich einfachere Definition von Fahrenheit zurückgegriffen wird: 0°F entspricht der tiefesten Temperatur in Danzig im Winter 1708 (vgl. "Polens kälteste Winter", Karol Wojtyla, Ottokar-Premysl-Verlag 1990), während 96°F der Körpertemperatur eines gesunden Menschen entspricht - neuere Forschungen haben allerdings ergeben, dass die Körpertemperatur von gesunden Menschen bei 98,6°F liegt, was darauf schließen lässt, dass die Menschheit im Laufe der Jahrhunderte wärmer wurde (vgl. "Die Homosexualisierung der abendländischen Gesellschaft", Joseph Ratzinger, Bet-und-Buß-Verlag 2002). Ein weiterer, erst in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts definierter Fixpunkt sind 451°F, die Selbstentzündungstemperatur von Büchern (vgl. "Chronik der Feuerwehr", Guy Montag, Salamanderverlag 1966). Drei durchaus logische und leicht nachvollziehbare Definitionspunkte.Übrig bleibt hier lediglich folgende, nicht so einfach zu beantwortende Frage: Bei wieviel Grad Fahrenheit gefriert es und man muss auf den Straßen mit Eisbildung rechnen? Die Einheimischen haben dafür eine simple Antwort parat: Sie ziehen einfach keine Winterreifen auf die Autos auf, damit erübrigt sich auch die Frage nach dem wetterbedingten Umstecken der Räder. Und weil das Thema Auto damit schon angeschnitten ist: Die Kraftstoffeffizienz von amerikanischen Autos wird in miles per gallon angegeben - wie kann es anders sein, nach dem Prinzip "mehr ist besser" der eindeutige Kehrwert von den bekannten Litern pro 100 Kilometer.

Nicht nur das, auch das Gewicht von Autos und Allem, was kein Auto ist, wird nicht in den bekannten Gramm und Tonnen angegeben, sondern in Pfund (vlg. "Kein Quarter Pounder in Europa", Vincent Vega, Pulp-Verlag 1994). Dieses ist wiederum unterteilt in Unzen, die - wie kann es anders sein - überhaupt keinen logischen Zusammenhang zu Flüssig-Unzen (siehe weiter oben) aufweisen. Die Einteilung der Gewichte ist wie folgt: 1 pound = 16 oz. = 453 Gramm, wonach ein Quarterpounder bei McDonalds 113,25 Gramm wiegt. Und nicht selten sieht man auf der Straße (weniger) oder bei Walmart (öfter) Personen, die nach übermäßigem Quarterpounder-Verzehr bis zu 500 pounds Lebendgewicht auf die Waage bringen, was wiederum dem Viertel einer amerikanischen Tonne entsprechen, die logischerweise nicht aus 1.000, sondern aus 2.000 pounds besteht und nicht mit der europäischen Tonne verwechselt werden sollte, da die europäische Ausgabe der Tonne um 93 kg schwerer ist.

Ein Blick in den Kühlschrank fördert eine Anzahl an Produkten mit anschaulichen haushaltsübliche Gewichtsangaben zu Tage:


Hier erfolgt die Angabe in Dry Ounces und aus bereits bekanntem Grund auch in Gramm, was die Inhaltsangaben auf diesen Flaschen weniger verwirrend erscheinen lässt als bei Flüssigkeiten. Das einzig Verwirrende in dieser Kollage ist: Während sowohl Erdnuss- als auch Barbecue-Sauce den Feststoffen zugerechnet werden, ist Sweet Relish der Verpackungsangabe nach eindeutig eine Flüssigkeit.

Und last but not least: Die Zeit. Es würde nicht verwundern, wenn es anders wäre, aber hier werden tatsächlich Sekunden, Stunden, Tage und Wochen verwendet. Dass die amerikanische Zeitrechnung auf dem Zwölf-Stunden-System basiert und somit jede Uhrzeit einmal pro Tag recycelt wird - mit a.m.-Suffix vor und p.m.-Suffix nach dem Recycling - fällt im Vergleich zu inches, gallons und pounds kaum ins Gewicht.

Abschließend eine Tatsache, die vielen Amerikanern unbekannt ist - ja regelrecht totgeschwiegen wird: Der Zoll als Basis sowie Dreh- und Angelpunkt des amerikanischen Maßsystems ist seit den 50er-Jahren über das metrische System definiert, ein Zoll entspricht genau 0,0254 Meter. So hat das Teufelszeug doch noch über ein Schlupfloch Einfluss auf das amerikanische Maßsystem genommen (vgl. "Ha-Ha!", Système international d’unités, SI-Verlag 1956) und vielleicht werden eines schönen Tages die amerikanischen Kinder auf einem millimeterkurz geschorenen Rasen spielen, während ihre Väter einen Liter Bier trinken und die Mütter einen Teppich von einem Quadratmeter weben - eine Fiktion, die zu schön ist, um wahr zu sein.

24.10.2012

Panem et Circenses

Was den antiken Römern die Gladiatorenspiele und den alten Griechen die Theateraufführungen waren, das sind der Bevölkerung in den ländlicheren Regionen der USA die Drag Races. Während sich im römischen Imperium größere Städte mit einer Arena schmückten, so bereichert ein eigener Drag Race Course - nicht selten verehrt als Stätte der Hochkultur und oftmals einem griechischem Theater gleich eingebettet in die wunderbare Kulisse der Natur - das Stadtbild vieler amerikanischen Ansiedlungen. Auch Tulsa stellt hierbei keine Ausnahme dar und nennt den Tulsa Raceway Park sein Eigen, liebevoll angelegt im Schatten von Lagerhallen und Brachland am nördlichen Stadtrand.


Mitte Oktober war es so weit, unter dem hochklingenden Namen "Throwdown in T-Town" wurde das bevorstehende Ereignis auf dem Tulsa Raceway Park angekündigt. Der Eintritt war frei, jedoch war eine Parkgebühr fällig, die vom Sinn her einem Eintrittspreis entsprochen hat, denn mangels öffentlichem Nahverkehr ist es dem interessierten Besucher schier unmöglich, ohne sein eigenes Gefährt an den Ort des Geschehens zu kommen. Die nicht vorhandenen öffentlichen Parkmöglichkeiten in der umittelbaren Umgebung der Rennstrecke trugen auch dazu bei, Geld in die Kasse der Veranstalter zu spülen. Zehn Dollar waren in Summe zu berappen, um sein Auto auf einer Wiese abstellen zu dürfen - zehn Dollar pro Auto, unabhängig von dessen Auslastung, was sparsame Mitbürger dazu veranlasst hat, ganze Großfamilien auf  zwei Sitze in einer Pick-Up-Kabine zu zwängen.

Die Grundregeln des Drag Racings sind sehr kompliziert und komplex: Die exakte Anzahl von zwei Fahrern, aufgeteilt auf zwei Fahrzeuge einer gleichen Klasse, tritt gegeneinander an, um unter der Prämisse, die vorgegebene Strecke, die sich je nach Veranstaltung auf eine Viertel- oder Achtelmeile beschränkt, schnellstmöglich und in jedem Fall schneller als der Mitstreiter zurückzulegen, ohne dabei das eigene Fahrzeug aus der vorgegebenen Spur zu lenken, was negative Auswirkungen nicht nur auf den Zustand des Fahrzeuges, sondern auch auf Leib und Leben des zugehörigen Fahrers haben kann (vgl. "Von Cricket bis Drag Racing - Sportregeln, die niemand versteht", Roy Referee, Sportschau 1985).


Wie bei anderen anspruchsvollen amerikanischen Sportarten - Schlammringen und Kuhfladenweitwurf seien hier als positive Beispiele genannt - steht auch beim Drag Racing der Fan im Mittelpunkt. Anders als in anderen Ländern üblich sind weder das Fahrerlager noch der Wartebereich für die nächsten Rennen mit hohen Zäunen vom gemeinen Fan abgeschrimt, sondern frei zugänglich und ein Kontakt des sportbegeisterten Publikums mit den Protagonisten des Ereignisses ist nicht nur gestattet, sondern sogar von beiden Seiten willkommen, vertreiben sich doch auch die Fahrer die Wartezeit auf das nächste Rennen gerne mit einer Unterhaltung mit interessierten Zuschauern, insbesondere dann, wenn sie von einem anderen Kontinent stammen (vlg. "Is this Yurp?", George W. Bush, Globetrotter-Verlag 2000). Bei einem konspirativen Gedankenaustausch mit einem Drag Racer erfährt man viele Fakten über diese abwechslungsreiche Sportart, die einem vorher - wohl auch mangels solcher Veranstaltungen im Heimatland - nicht bewusst waren.


So verfügt ein oben abgebildetes Auto der Pro-Modified-Klasse über einen Motor mit etwa 9 Liter Hubraum und die Stärke von 2.500 bis 4.000 Normpferden. Der maximale Krafstoffverbrauch liegt bei sparsamen 370 Litern pro Minute, die über ungefähr 40 Einspritzdüsen mit einem Druck von 35 Bar in die Zündkammern gepumpt werden. Wasser ist als Kühlmittel für einen solchen Motor nur bedingt zu empfehlen und würde unter den gegebenen Bedingungen - Drehzahlen von bis zu 8.000 Umdrehungen pro Minute - schneller verdampfen, als ein Drag Racer für die Achtelmeile braucht. Aus diesem Grund wird auf Luft als Kühlmittel zurückgegriffen, wovon die überdimensionalen Lufteinlässe über dem Motor zeugen, die pro Rennen unzählige Kubikmeter Luft ansaugen - und zwar so schnell, dass am Ende des Rennens die Einlassklappen regelmäßig vereisen. Die Beschleunigungswerte liegen bei ungefähr 0,7 Sekunden auf 160 Kilometer pro Stunde, was jeden Turboporsche alt aussehen lässt und zu Traumzeiten von etwas weniger als vier Sekunden auf die Achtelmeile und Endgeschwindigkeiten jenseits der 300er-Marke führt, die nach der Ziellinie stilgerecht mit Bremsschirmen reduziert werden. Leider führt die hohe Geschwindigkeit während des Rennens dazu, dass Drag Racer während ihres zugedachten Einsatzes sehr schwer zu fotografieren sind und sich in der Regel als nur Schatten ihrer selbst auf der Speicherkarte verewigen.


Während eines Rennlaufs werden - inklusive Warm-Up und Burn-Out - etwa 80 Liter Kraftstoff pro Fahrzeug verbraucht, während die Geräuschkulisse gut und gerne an der 140-Dezibel-Marke kratzen kann, was Drag Racing als idealen Sport für umweltbewusste Mitmenschen und ruhebedürftige Wutbürger und Drag-Race-Veranstaltungen als perfekte Basis für die Bewerbung von Hörgeräten erscheinen lässt, denn  langjährige Fans tragen bei solchen Events ihre Hörgeräte mit Stolz und werden von der hellhörigen Jugend ehrfürchtig bewundert (vgl. "Hä!?", National Drag Racing Association 2010). Ob der Geräuschemmission würden sich Drag-Race-Strecken auch perfekt dazu eignen, die Probleme von Fluglärmgängern zu beseitigen, denn einige gut platzierte Rennstrecken in den Orten rund um den Flughafen Frankfurt - oder Berlin, Hamburg, ... - werden nach kurzer Zeit dazu führen, dass der Fluglärm bei den betroffenen Wutbürgern eine untergeordnete, wenn nicht minimale, Rolle spielen wird.


Der Fahrer eines Drag Racers wird einer g-Kraft von bis zu +3g während dem und -2g nach dem Rennen - wenn die Bremsschirme ihre volle Wirkung zeien - ausgesetzt, ein Umstand, der durchaus zu der Überlegung veranlasst, ob diese dauerhafte Belastung des Körpers nicht zu bleibenden Schäden führen könnte, ein Gedankengang, der den meisten Drag-Racer-Fahrern nicht bewusst ist, rekrutieren sie sich doch meist nichtt aus dem Bildungsbürgertum , sondern aus Familien, die seit Generationen schon Drag Racing betreiben und ihre Kinder auf Rennstrecken gezeugt, geboren und aufgezogen haben (vgl. "Auf diesem Billiardtisch wurde ich gezeugt, geboren und aufgezogen", Hausmeister Willie, Highland-Verlag 2001).

Mit einem kurzen Streifzug durch das Fahrerlager endet dieser Bericht von einem Abend voller abwechslungsreicher Unterhaltung auf höchstem Niveau.




23.10.2012

Welcome to Tulsa


Denkt man als Außenstehender - in diesem Fall als Bewohner jedes nicht-nordamerikanischen Kontinents - an Tulsa, so stellt sich meist zunächst die Frage: "Was ist das?". Hat man den Begriff schließlich mit einer Stadt asoziiert, führt das in der Regel zur nächsten Frage: "Wo ist das?". Doch selbst der Hinweis auf den Bundesstaat Oklahoma bringt nicht immer Aufschluss, denn obwohl Oklahoma dem Namen nach durchaus geläufig ist, trifft das nicht zwangsweise auf seine geographische Lage zu, "irgendwo da in der Mitte oder unten" ist die geläufigste Abschätzung (vgl. "Die unbedeutensten Bundesstaaten der USA" Rand McNally, National Geographic, 2000).


Ob seiner eigenwilligen Form wird Oklahoma auch der Panhandle State genannt (Hinweis an den Leser Sebastian T.: PanHANDLE und nicht PanCAKE). Der namensgebende Landesteil im Nordwesten war die längste Zeit Niemandsland zwischen Texas, Colorado, New Mexico und Oklahoma (vgl. "Staaten, die wie Kochgeschirr aussehen", Alfred Biolek, Bio-Leck-Verlag 1995). Irgendwann im Laufe der Geschichte wurde Gegend dem Bundesstaat Oklahoma zugeteilt und fristet heute sein Dasein als Niemandsland zwischen Texas, Colorado und New Mexico. Wahrscheinlich wurde das Land, das niemand so recht haben wollte, deswegen Oklahoma zugeschrieben, weil der Staat Oklahoma sich damals am wenigsten dagegen wehren konnte - kein Wunder, waren doch die Einheimischen hier zu dieser Zeit mit ganz anderen Sorgen beschäftigt, nämlich der Verdrängung der letzten Indianerstämme aus Oklahoma, die erst in den Jahrzehnten zuvor nach Oklahoma verdrängt worden waren. Im Zuge des bis über die Landesgrenzen hinaus bekannten Oklahoma Land Run duften ab 12 Uhr Mittags am 22. April 1899 wagemutige Glücksritter ab einer definierten Startlinie ins Indianerterritorium vordringen - vorzugsweise zu Pferd, da alltagstaugliche Autos sowie Mobility Scooter erst viel später erfunden werden sollten - und sich dort ohne Rücksicht auf rothäutige Verluste ihr Land abstecken und den Traum von den eigenen vier Steppenhexen erfüllen zu können. Einige findige Glücksritter haben sich jedoch schon vor dem eigentlichen Start klammheimlich in das gelobte Land geschlichen und in Erdlöchern oder hinter Steppenhexen gewartet, bis der Land Run offiziell eröffnet worden war, nur um dann wie aus dem Nichts aus Erdlöchern oder hinter Steppenhexen aufzutauchen und die schönsten Stücke Land in Besitz zu nehmen, bevor sich ein ehrlicher Glücksritter auf einem keuchenden Postross dorthin verirrt und Ansprüche gestellt hätte. Und weil diese findigen Leute früher (engl. sooner) als die Anderen vor Ort waren, wird Oklahoma auch als der Sooner State bezeichnet, denn man ist sich seines ruhmreichen historischen Erbes durchaus bewusst (vgl. "Sooner or Later - Claiming Property in Land Runs", Tom Cruise, Cruising with Tom Cruise 1992)

Nach diesem kleinen Exkurs über die abwechslungsreiche und Jahrtausende alte Geschichte Oklahomas wird der Stadt Tulsa nun wieder die Aufmerksamkeit zuteil, die ihr gebührt. Tulsa liegt in der nordöstlichen Ecke von Oklahoma, dort, wo sich der Arkansas River malerisch durch weite Steppen schlängelt.



Die Stadt an sich hat knappe 400.000 Einwohner, während sich in der Metropolregion etwa 950.000 Leute tummeln. Von diesen Leuten sind etwas mehr als 60% Weiße, jeweils 15% Hispanics und Schwarze und der mickrige Rest teilt sich auf ein paar Indianer und eine handvoll Asiaten auf. Die Stadt wurde in den 1830er Jahren gegründent, aus der Tatsache heraus, dass zu dieser Zeit auf genau diesem Fleck Erde ein Indianerstamm gelebt hat, den zu vertreiben es galt. Einige Zeit später ist im Umland von Tulsa schwarzes Gold gefunden worden, keine "Clean Charcoal" (vgl. "Scheiß auf die Umweltverschmutzung", Mitt Romney, Rauch & Ruß-Verlag 2012), sondern Erdöl. Diese Ölquellen sind heutzutage größtenteils versiegt oder in Länder mit geringeren Lohnkosten - Nigeria oder den Golf von Mexiko - outgesourct worden. Nur ein paar verlassene Ölbohrtürme ragen als stumme Zeugen der einstigen Blüte des Ölgeschäfts vereinzelt in den Himmel über Tulsa.


Auch die Eisenbahn war zur damalige Zeit - und ist es in Form von Güterzügen, die genauso lang wie -sam sind auch heute noch - ein gern gesehener Gast in Tulsa, wovon eine übrig gebliebene Dampflokomotive zeugt.


Und nicht nur Eisenbahnen, nein, auch Straßen gab und gibt es in Tulsa, unter anderem tangiert die weltberühmte Route 66 von Chicago nach Los Angeles die Stadt.


Diesen drei Einflussfaktoren - Öl, Eisenbahn und Route 66 - ist es zu verdanken, dass Tulsa im Laufe der Zeit zu einer blühenden Stadt aufgestiegen ist. Und selbst die schwarze Bevölkerung - damals noch viel massiver als heute gesellschaftlichen Ausgrenzungen ausgesetzt - brachte es in Tulsa zu einem Wohlstand, der landesweit seines Gleichen suchte und dem prosperierenden Greenwood-District nördlich des Stadtzentrums den Ruf einer "Black Wall Street" einbrachte. Doch dieser Ruf war nur von Kurzer dauer, denn da die Indianer schon einige Jahrzehnte zuvor vertrieben worden sind und aus diesem Grund der kriegerische weiße Mann von Langeweile geplagt war, wurde der Greenwood District im Jahre 1921 während der berühmt-berüchtigten Rassenunruhen von Tulsa aufgrund von Nichtigkeiten in akribischer Kleinarbeit niedergebrannt, wovon auch heute noch üppige Brachflächen nördlich des Stadtzentrums zeugen.
Glücklicherweise hat der weiße Mann damals nicht die gesamte Stadt niedergebrannt, und so findet sich heutzutage im Zentrum von Tulsa die höchste Dichte an Häusern im Art-Deco-Stil in den ganzen USA.






Direkt südlich des Stadtzentrums befindet sich die Boston Avenue Methodist Church, ein Meisterwerk des Art-Deco der späten 20er Jahre, liebevoll eingebettet in hektargroße Parkplätze.



Aus dem richtigen Blickwinkel betrachtet kommt die phallistische Gestalt des Gebäudes besonders zur Geltung (vgl. "Gotteshäuser als Phallussymbole", Kardinal Hermann Groer, Lausbubenverlag 1990).


Als man im Laufe der Zeit vieler der alten Häuser überdrüssig wurde, hat man Tulsa gemäß der amerikansichen Tradition einer umfangreichen Stadterneuerung mit der Abrissbirne unterzogen und einige der Art-Deco-Häuser durch modernere Bauwerke, die meisten aber - wie rund um die Boston Avenue Methodist Church - durch Parkplätze ersetzt, die mit viel Liebe zum Detail gestaltet wurden, wobei eine besondere Charakteristik dieser Parkplätze das komplette Fehlen von Bäumen oder sonstigen Schattenspendendern und gestalterischen Elementen darstellt. (vgl. "Stadtverschönerung mit Parkplätzen", Bob der Baumeister, Bundesinnung der Asphaltgießer 1960).

Auch wurden manche der Häuser originalgetreu renoviert.


Und weil die überwiegende Mehrheit der Bauwerke, die sich um die Parkplätze gruppieren, mehr zum Arbeiten denn zum Wohnen gedacht sind, spielt sich das Leben außerhalb der Arbeitszeit überall, nur nicht im Stadtzentrum ab und während sich an einem Samstag Nachmittag Milliarden Menschen über den Times Square in New York schieben, herrscht entlang der Main Street von Tulsa eine beschauliche Ruhe, die nur von gelegentlich vorbeiwehenden Steppenhexen gestört wird.


Außerhalb des Stadtzentrums teilt Tulsa das einheitliche Aussehen vieler amerikanischer Großstädte - ein rechtwinkeliges Straßennetz, dessen Hauptstraßen entweder in Nord-Süd oder Ost-West-Richtung ausgerichtet sind, was die Orientierung für Ortsfremde ungemein erleichtert, nach einiger Zeit aber zu Langeweile führen kann, da so das Abenteuer des sich Verfahrens geradezu ausgemerzt wird.


Im Gegensatz zu San Francisco hatten die Stadtplaner von Tulsa zum Glück das Glück, tatsächlich annähernd flaches Land anstelle von steilen Hügeln vorzufinden, als es darum ging, die Straßenplanung in die Realität umzusetzen (vgl. "Auf dem Plan sah das Land flach aus", Briefe aus dem Straßenbauamt San Francisco, 1906).

Zwischen diesen Straßen finden sich vorzugsweise Einfamilienhäuser, die der gemeine Amerikaner gegenüber dem Leben in Wohnungen favorisiert, was der Stadt von oben betrachtet den Eindruck eines Dorfes zu Füßen zahlreicher Bäume verleiht und mit einer weiten Weitläufigkeit der Stadt einher geht. Mittlerweile hat das Auto das Pferd als favorisiertes Transportmittel über diese weiten urbanen Distanzen abgelöst und man ist als Bewohner von Tulsa gut beraten, sich ein Automobil zu halten, was insbesondere aufgrund eines nicht vorhandenen öffentlichen Nahverkehrs und nicht vorhandener öffentlicher Gehsteige zu empfehlen ist. Mit zwei Impressionen meines aktuellen Forbewegungsmittels - hier in Gestalt eines Dodge Chargers, seines Zeichens das einzige amerikansiche Auto mit gelungenem Design und angenehmen Fahreigenschaften - schließt dieser erste Bericht aus Tulsa ab.


20.10.2012

Howdy, Partner!

Nach dem grandiosen Erfolg von No Tapirs in Australia im Jahr 2011 kommt nun endlich der lang erwartete Nachfolger: No Tapirs in Tulsa. Das Konzept hinter No Tapirs in Tulsa ist das gleiche, welches sich schon bei No Tapirs in Australia bewährt hat. Ich war wieder einmal hin und weg von dieser Möglichkeit, euch an meiner Zeit in Tulsa teilhaben zu lassen, zumal es wesentlich einfacher ist als in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen Bilder per E-Mail herumzuschicken und somit der Blog meiner Bequmlichkeit sehr entgegen kommt.Was No Tapirs in Tulsa aber so anders macht, ist die Örtlichkeit. Anstatt der weiten Weite von Australien dreht sich dieser Blog primär um die weite Weite des südlichen mittleren Westen.

In diesem Sinne, viel Vergnügen beim Betrachten der Bilder und beim Lesen der Bildüberschriften!

Zu guter Letzt noch ein paar obligatorische Danksagungen: Zunächst möchte ich No Tapirs in Australia für das Layout danken, welches ich dankbarerweise recyclen konnte. Des Weiteren Herrn Theodor Tapir dafür, dass ich sowohl seinen guten Namen als auch seine E-Mail-Adresse benutzen kann, um mich inkognito bei blogger anmelden zu können (google ist vielleicht nicht ganz so hinterhältig wie die Firma mit dem angeknabberten Obst, aber suspekt allemal). Vielen Dank auch an Koala(Slow)Motion Pictures für die tausenden bunten Bilder und Tapir Productions Internatioal für die freundliche und hilfsbereite Unterstützung bei der Erstellung und Veröffentlichung dieses Blogs.